Ist die Deutsche Bahn gar nicht so umweltfreundlich, wie es immer heißt? Journalist C. Krachten hat dies betrachtet und Vergleiche zur E-Mobilität gezogen.
Hallo zusammen,
für mich ist klar, dass wir als Menschheit alles daran setzen müssen, die Verkehrswende voran zu bringen. Idealerweise heißt das: weniger Reisen. Und wenn (Fern-)Reisen - so war ich überzeugt - dann am besten mit dem Zug. Pro Passagier gerechnet muss der ja deutlich weniger Energie verbrauchen. Aber wie viel eigentlich genau?
Bei meiner Recherche bin ich auf den verlinken Artikel gestoßen. Und demnach sind die Züge in Deutschland gar nicht mal so effizient, wie ich immer dachte. Laut dem Artikel wäre die Bahn pro Passagier nur ungefähr gleichauf mit einem Elektroauto. Wenn im Elektroauto zwei, drei oder vier Personen sitzen, sei die Bahn unterlegen. Als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel werden im Artikel (Elektro-)Busse genannt.
Nun ist der Artikel aber einerseits schon etwas älter (2021) und andererseits auch der Autor ("Elektro-Auto-News") nicht unbedingt unparteiisch bzw. neutral.
Gibt es seriösere Quelle über den Gesamtenergieverbrauch der verschiedenen Verkehrsmittel? Idealerweise auch unter Berücksichtigung der Herstellung und der dafür benötigten Infrastruktur?
Statt mir zu sagen, dass meine Quelle unzuverlässig ist - was ich schon weiß und dazu geschrieben habe - schreibt mir doch bitte eine bessere. Es muss doch zumindest grob möglich sein, eine Aussage zum durchschnittlichen Energieverbrauch der Bahn zu treffen.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sagt:
Zu beachten ist außerdem, dass es für Schienenfahrzeuge keinen Normverbrauchszyklus ver-
gleichbar mit dem eines PKWs gibt. Vielmehr hängt der Energieverbrauch bei Schienenfahrzeu-
gen in erheblichem Maße vom Profil der Strecke mit Steigungen und Gefällen, Gesamtmasse des
Triebzugs in Abhängigkeit von der Anzahl der eingesetzten Wagen, Zustand der Schienen, Tun-
nellängen sowie Rückspeisemöglichkeiten ab
Oder anders gesagt: Es ist gar nicht so leicht das auszurechnen. Fährt der Zug bergauf, braucht er logischerweise mehr. Aber beim bergabfahren kann er wieder Strom ins Netz einspeisen. Fährst du von Freiburg nach Titisee ist dein Stromverbrauch kriminell, fährst du zurück, brauchst du nur was für die Beleuchtung im Klo. Welche Strecke nimmst du jetzt als Basis? Welchen Zugtyp setzt du in welcher Geschwindigkeit ein? Es erscheint logisch, dass eine Regionalbahn weniger Strom verbraucht als ein ICE. Und vor allem spielt er ja sehr stark auf das Thema Auslastung an und die schwankt logischerweise je nach Strecke und Fahrt. Logischerweise braucht ein voller Kurz-vor-Weihnachten-ICE, in dem die Menschen im Gang stehen, pro Kilometer weniger pro Person als der Mitten-in-der-Nacht-keiner-sitzt-drin-ICE. Und dann hast du so Komplexitäten im System: Der Mitten-in-der-Nacht-Zug fährt ja teilweise nur, damit er morgens am passenden Startbahnhof ist. Und die Auslastung schwankt tages- oder monateweise.
Und dann gibt es noch einen grundlegenden Denkfehler, den der Artikel macht: Die Züge fahren ja eh. Weil es etwa im Regionalverkehr eine staatliche Ausschreibung für die Strecke in dem Takt gibt. Jetzt rechnet der aber sein eAuto gegen den halb besetzten Zug, erwähnt aber natürlich mit keinem Wort, dass die umweltfreundlichste Art zu reisen es natürlich ist, die Auslastung des Zuges zu erhöhen und nicht auf der A3 mit dem privaten eAuto neben dem halb leeren ICE zu fahren.
Schaue ich mir auch in Ruhe an, danke für die Links.
Allerdings:
Gefälle auf der Strecke dürfte in der Regel sämtliche Verkehrsmittel betreffen. Das sollte also kein Argument sein, für Züge keinen Durchschnittsverbrauch anzugeben. Um diese Effekte rauszurechnen könnte man entweder eine Ebene Strecke für einen Vergleich nutzen oder zumindest den Durchschnittsverbrauch über Hin- und Rückfahrt berechnen.
Rekuperieren können Elektro-PKW grundsätzlich ja auch. Hier wäre interessant, ob Züge das mit einem besseren Wirkungsgrad schaffen.
Die Auslastung betrifft auch alle Verkehrsmittel. Ein voller PKW ist auch effizienter als nur ein Fahrer, genauso wie bei der Bahn.
Das Argument, dass der Zug sowieso fährt, ist zwar richtig, aber sollte man für den Vergleich fairerweise ausklammern. Für den Fall, dass Elektro-PKW bei gleicher Auslastung effizienter pro Passagier und Strecke wären, wäre ja zukünftig auch ein ÖPNV-ähnliches Konstrukt auf PKW-Basis denkbar à la Mitfahrzentrale o.ä. Außerdem lässt sich dieses Argument auch so missbrauchen, dass es umweltfreundlicher ist mit dem Flugzeug von Köln nach Berlin zu reisen ("fliegt ja sowieso") als mit dem Fahrrad (Kalorienverbrauch, Reifenabrieb etc.).
Idealerweise müsste man den Gesamtverbrauch aller Züge in Deutschland / ( Anzahl beförderter Passagiere * zurückgelegte Strecke ) rechnen. Und das gleiche dann für Busse, (e)PKW, ...
Die Rekuperation eines Zuges ist grundsätzlich effizienter, da die gewonnene Energie direkt durch andere Züge verbraucht wird und nicht den Verlust hat, der bei einer Akkuladung immer anfällt.
Spannender Punkt. Habe gerade selbst nochmal ein wenig recherchiert und aktuell ist die reale Rekuperation wohl nur dann recht gut, wenn im selben Streckenabschnitt (Unterwerk) ausreichend andere Verbraucher (=Züge) da sind. In Teilnetzen mit geringer Auslastung verpufft die Leistung ungenutzt als Wärme oder es werden auch hier On-Bord-Akkus, Schwungradspeicher o.ä. genutzt.
Im Wechselspannungs-Regionalverkehr wird bislang wird wohl kaum rekuperiert, wäre aber möglich. In Gleichspannungs-Stadtnetzen (U-Bahn, Straßenbahn) ist es wohl prinzipienbedingt eher schwierig, große Mengen zurückzugewinnen.
2015 wurden von der DB AG 1219 GWh Energie ins Bahnstromnetz zurückgespeist. Dies entspricht in etwa 13 % des gesamten Energiebedarfs des Unternehmens [DBAG13y, S. 126].Im Jahr 2022 hat die DB etwa 1.500 GWh Strom zurückgespeist, das entspricht einer Rückspeisequote von 17,9%. [DB22b]
Auf jeden Fall schön - wenn man das aus zwei Datenvolumen mutmaßen darf - dass es eine positive Entwicklung bei der Bahn gibt. Zum Rekuperationvermögen eines einzelnen, modernen Regionalzugs oder ICE habe ich spontan leider nichts gefunden.
Wenn man den (unfairen) Vergleich zwischen dem Bahn-Gesamtnetz zu einem einzelnen, modernen Elektro-PKW zieht, so hat dieses aktuell deutlich die Nase vorn. Aber auch wenig überraschend, wenn man bedenkt, wie alt viele Züge sind.
Zwischen 62,5 und 64,2 Prozent. Mit diesen Werten ist gemeint, welcher Anteil der zum Beschleunigen eines BMW i3 (Modelljahr 2018) notwendigen elektrischen Energie vorher durch Rekuperation gewonnen werden konnte.
Daten zu Passagieren, Passagierkilometern und so weiter solltest du auch finden. Mentione mich bitte, wenn du ein Ergebnis hast, das interessiert mich auch :)
Ich kann dir zwar keine Quellen anbieten, aber kann dir sagen, dass der Energieverbrauch in zweiter Potenz mit der Geschwindigkeit hochgeht, d.h. wenn man von den 200km/h im Schnitt auf 100km/h halbiert wird der Energieverbrauch geviertelt.
D.h. die Frage ist von was für einem Zug du den Durchschnitt haben willst? Von einem Doppeldecker IC? Einem ICE Sprinter der mit wenigen Halts und mit 300 km/h fährt? Einem Regionalexpress, der eher in der Geschwindigkeit fährt die hier bei Autos angesetzt wurden?
Der Artikel hat in sofern recht, dass die Frage ist mit wem die Bahn konkurrieren soll: Flugzeugen oder Autos und wenn zweiteres okay ist braucht man deutlich weniger Geschwindigkeit, Tunnels etc. und verringert damit natürlich auch den Energieverbrauch gewaltig. Aber gefühlt sind es die gleichen Leute die hier gegen den Energieverbrauch argumentieren, die sich beschweren, dass Stuttgart-Hamburg mit dem ICE 6h dauert und es eine Frechheit ist Flugzeuge innerhalb Deutschlands zu verbieten.
Ansonsten würde es mich total interessieren wie es aussehen würde, wenn man mehr Punkt-zu-Punkt Verbindungen ohne Halt einrichten würde und dafür die Geschwindigkeit auf 200 begrenzen würde. Wenn ICEs dreimal in Hamburg halten hat das halt mit Intercity nicht so viel zu tun und frisst halt auf langen Strecken echt viel Zeit.
Sehr guter Punkt. Vermutlich ist genau das die physikalische Grundlage, die dem PKW in manchen Rechnungen zu gute kommt. Selbst mit stromsparenden 110 km/h auf der Autobahn ist man je nach Verbindung ähnlich schnell oder schneller als mit dem ICE, der mit 300 km/h durch die Gegend rast. Von Metropole zu Metropole ist der da sicher unschlagbar aber von Dorf zu Dorf hauen die vielen Umstiege, Wartezeiten und Umwege halt schon sehr rein. Ich hab gerade mal willkürlich zwei kleine Orte auf der Karte rausgepickt: Quedlinburg nach Bad Arolsen. Laut Google Maps braucht der ÖPNV da 12 Stunden VS. 2,5 Stunden im Auto. D.h. selbst wenn das e-Auto statt 90 km/h (laut Google Maps) im Schnitt nur 30 km/h führe, wären das "nur" 7,5 Stunden. Und bei Tempo 30 ist ein e-Auto schon ziemlich sparsam.
Das ist in meinen Augen auch das Argument des VCD: jede Strecke hat das passende Verkehrsmittel. Ich fahre in Berlin auch 10 Km zum Kundentermin, da ich mit dem E-Lastenrad immer noch die Öffies in der Zeit schlage.
Und vielleicht lernen die Menschen ja auch wieder die Reise zu genießen. Berlin-Paris geht auch ganz gut mit der Bahn. Dauert halt etwas länger.
Ich habe ja immer noch die Hoffnung, dass auch die Verkehrsmittel etwas komfortabler werden, wenn wir die Reisezeit mehr schätzen lernen.
Das Problem ist halt, dass fast kein Autofahrer mit konstant 110 auf Fernstrecken unterwegs ist. Dem PKW kommen größtenteils realitätsferne Testzyklen entgegen.
Und man sollte zu dem Problem der CO2 Emissionen beim Auto nicht die anderen Probleme ausser Acht lassen:
zB die Kunststoff Feinstaub Emissionen die zum Klimawandel beitragen lassen indem sie die Arktis abdunkeln (und gesundheitlich fragwürdig sind)