'Zwangsarbeit': Während seines China-Besuchs demonstrierte der türkische Außenminister Hakan Fidan seine Verbundenheit mit den Uiguren in Xinjiang. Doch seine Geste hätte klarer ausfallen können.
Während seines China-Besuchs reiste der türkische Außenminister Hakan Fidan auch nach Xinjang. Dort demonstrierte er seine Verbundenheit mit den Uiguren. Doch seine Geste hätte klarer ausfallen können, meinen Experten.
Der türkische Außenminister Hakan Fidan zeigte sich aufmunternd. Würde China aktiv werden, um die Wahrnehmung zu verändern, die die Welt von dessen Umgang mit den Uiguren habe, käme das China ebenso entgegen wie allen anderen Staaten, erklärte er während seines Aufenthalts in Xinjiang Anfang Juni.
Der Besuch Fidans in der Region sei zwar bedeutend, da erstmals seit zehn Jahren wieder ein hochrangiger Vertreter der Türkei nach "Ost-Turkestan" - so bezeichnen Uiguren, vor allem aus der Unabhängigkeitsbewegung, die Provinz im Westen Chinas, die in China selbst offiziell "Xinjiang" heißt - reiste, sagt Zumretay Arkin, Sprecherin des World Uyghur Congress in München. Der Verband nimmt für sich in Anspruch, die Interessen der Uiguren in der Provinz Xinjiang wie auch in der übrigen Welt zu vertreten. Bereits im Vorfeld sei der Besuch von den Uiguren aufmerksam registriert worden. "Aber große Erwartungen haben wir mit dieser Reise dennoch nicht verknüpft."
Man habe registriert, dass sich Fidan nicht das chinesische Wort von der Terrorismusbekämpfung zu eigen gemacht habe, das die chinesische Regierung mit Bezug auf Xinjiang immer wieder gebrauche, sagte Zumretay Arkin im DW-Interview. Auch habe man es begrüßt, dass Fidan von "islamischer Identität" gesprochen habe. Enttäuschend sei es aber gewesen, dass der Minister nicht über die Menschenrechtsverletzungen in der Region gesprochen habe.
Ein schmaler diplomatischer Pfad
Tatsächlich hat sich Fidan während seines Besuchs auf einem schmalen diplomatischen Pfad bewegt. So sahen einige Beobachter
in seiner auf weißem Hemd getragenen hellblauen Krawatte zwar eine Anspielung seiner Verbundenheit mit "Ost-Turkestan". Gegenüber seinen chinesischen Gesprächspartnern bezeichnete er die Provinz allerdings mit dem chinesischen Namen: Xinjiang. Doch die dortigen, überwiegend von Uiguren bewohnten Städte Urumqui und Kashgar, beide Stationen seiner Reise Anfang Juni, bezeichnete Fidan als "historisch türkisch-muslimische Städte."
Diese Äußerungen seien relativ brisant, sagt der Anthropologe und China-Experte Adrian Zenz von der Victims of Communism Memorial Foundation in Washington D.C. "Denn für die Chinesen sind die Verbindungen der Uiguren zu den Turkvölkern ein wunder Punkt. Sie sehen diese Verbindung als Separatismus und betonen stattdessen die Verbindung zu China, zu Peking." Allerdings, bedauert Zenz, habe Fidan Kritik an der chinesischen Uiguren-Politik nur hinter verschlossenen Türen geäußert. "Hätte er sie öffentlich, etwa auf einer Pressekonferenz artikuliert, wäre das viel wirksamer gewesen."
Tatsächlich seien Reisen in die Region - rund zehn Millionen ihrer insgesamt 22 Millionen Einwohner sind Uiguren - für offizielle Besuche weiterhin ein zweischneidiges Schwert, sagt der Sinologe und Politikwissenschaftler Björn Alpermann von der Universität Würzburg. "Einerseits versuchen Besucher durch die Reisen natürlich etwas zu bewirken und sich ein Bild von möglichen Veränderungen zu machen. Andererseits ermöglichen sie es der chinesischen Propaganda, die ihr passenden Bilder und Statements rauszuschneiden und für ihre Zwecke einzusetzen." In diesem Fall wolle sie den Eindruck vermitteln, selbst frühere Kritiker der chinesischen Vorgehensweise gegen die Uiguren seien inzwischen mit der Situation vor Ort zufrieden", so Alpermann im DW-Interview.
Komplexe Interessenlage
Fidan absolvierte seinen Besuch vor dem Hintergrund einer komplexen Interessenslage. So leben in der Türkei rund 60 000 Uiguren, die sich erheblicher Sympathien ihrer Gastgeber erfreuen. Türkisch und Uigurisch sind zwei miteinander verwandte Sprachen. Viele Uiguren waren bereits in den 1950er Jahren in ihre neue Heimat geflohen. In seiner Zeit als Ministerpräsident hatte sich der heutige türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu einem entschiedenen Fürsprecher der Anliegen der in China lebenden Uiguren gemacht. So sprach er während der ethnischen Unruhen in Xinjiang 2009 von einem "Genozid" an der Volksgruppe.
Doch derartige Töne sind längst verstummt. Heute ist die Türkei auch an guten wirtschaftlichen Beziehungen zu China interessiert. So standen während des Besuchs von Außenminister Fidan auch die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder und verbesserte bilaterale Handelsbeziehungen im Vordergrund. Die Zeitung Asia Times wertet
den Besuch als Versuch der Türkei, sich einen Weg zur Mitgliedschaft in der Wirtschaftsgemeinschaft BRICS zu ebnen. Auch strebe die Türkei die Mitgliedschaft in der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit an, sagt Björn Alpermann.
Dennoch vertrete die türkische Regierung ihre Position vergleichsweise deutlich, sagt Alpermann. "Viele Staaten der islamischen Welt vermeiden hinsichtlich der Uiguren eine klare Haltung gegenüber Peking oder stärken der chinesischen Regierung sogar den Rücken. Insofern setzt der Besuch Fidans in Xinjiang schon ein besonderes Zeichen."
"China verschleiert Zwangsarbeit"
Dennoch dürfte der Besuch hinsichtlich der Rechte der Uiguren kurzfristig wenig bewegen, sagt Zumretay Arkin vom World Uyghur Congress. Sie habe bereits viele derartiger Besuche gesehen. Die chinesische Regierung nutze sie immer wieder, um ihre eigene Propaganda zu verbreiten. "In diesem Kontext erklärt sie dann etwa, sie habe Arbeitsprogramme aufgelegt, um den Menschen Arbeit zu geben und sie aus der Armut zu holen. Tatsächlich verschleiert sie damit den Umstand, dass sie Menschen zur Zwangsarbeit verurteilt."
Allerdings sei die chinesische Regierung mit Blick auf die islamische Welt besonders darauf bedacht, dass dort keine offene Kritik aufkomme, sagt Adrian Zenz. Der Regierung in Peking geht es darum, den Westen politisch so weit wie möglich zu isolieren. "Darum inszeniert sie sich selbst als antikoloniale Macht, als Champion des so genannten 'Globalen Südens', der sich auch um die muslimischen Staaten bemüht. Die Türkei gehört sicher zu den Ländern, die China international mit am wirkungsvollsten kritisieren könnten. Das will China nach Möglichkeit verhindern. So war es aus Sicht Pekings schon ein Erfolg, dass es keine öffentliche Kritik gab."
Auf eben diese Kritik hofft Zumretay Arkin. Es wäre wünschenswert, wenn Besuche wie der von Hakan Fidan konsequent die Menschenrechtslage in Xinjang zur Sprache brächten. Es gehe darum, dass Besucher zu den Menschenrechtsverletzungen nicht schweigen. "Das erwarten wir auch von westlichen Regierungen."
Diesem Wunsch könnte der Besuch Fidan letztlich zugearbeitet haben, sagt Adrian Zenz. "Der Endeffekt des Besuchs ist sicherlich, dass die Chinesen sich jetzt stärker beobachtet fühlen."