Habe ich es gerade mit komplett normalisiertem Alltagsrassimus zu tun?
Moin.
ich bin mir unsicher, ob ich hier komplett überreagiere und vllt auch nach ner echt ekeligen Woche betrunken bin oder was auch immer. Aber ich hab da auch mit Freunden drüber gesprochen, und das macht das net besser.
Ich glaube, ich beobachte aktuell Rassismus durch... ich weiss gar nicht wie man das nennen soll. Ignorieren, irgendwie?
Im Edeka um die Ecke hat for 1-2 Wochen eine neue Kassiererin angefangen. Und auch wenn sich das gerade etwas komisch anfühlt das so zu schreiben, aber diese Frau ist nicht irgendwie uneindeutig brauner als die durchschnittliche nordliche Käsenase die im Dunklen reflektiert, diese Frau hat eine dunkelbraune bis eher schwarze Hautfarbe. Das ist ziemlich eindeutig.
Nur irgendwie steht da nie jemand bei ihr an. Und wenn nun im Feierabend-Rush alle Kassen 3-5 Leute in der Schlange haben und eine so gar keine, dann ist das schon seltsam. Ich profitiere davon, aber der Preis fühlt sich ekelig an.
Und irgendwie kommt man dann ans grübeln.
Ist sie einfach nur langsam? Kann ich so nicht sagen. Jetzt keine SCP-Renate Krüger im Aldi, bei der man blinzelt und sie scannt schon 3 Einkaufswagen weiter und schaut einen grimmig an. Aber man muss sich schon ranhalten und ist eigentlich dauerhaft am packen. Durchaus eher oberes Perzentil in dem Laden.
Oder ist sie pampig oder so? Kann man komplett auch nicht sagen, eher einfach freundlich und sagt halt wenig, also komplett normal an der Kasse. Da kenn ich ganz andere Konsorten an der Kasse. Und wenn der Laden voll ist fängt man eh kein Tratsch an der Kasse an als wenn man da in irgendeiner Nebenzeit aufschlägt.
Oder ist da nun irgendwas anderes was den konservativen Deutschen schockiert, wie eine der Mitarbeiterinnen im Getränkehandel woanders, mit bunten Haaren, Tatoos beide Arme rauf, Piercings? Absolut nicht. Edeka-Uniform, grob schulterlange schwarze Haare im Ponytail. Mehr oder weniger genau das gleiche wie die Kasse links nebendran. Nur halt dunkelhäutig mit schwarzen Haaren statt weiss mit blonden Haaren.
Und dennoch stand ich da grade wieder im Feierabendrush. Alle Kassen mit 3-4 Leuten in der Schlange, manche auch eher 5. Bis auf eine. Und dann steh ich da, und da kommt irgendwer mit nem Brötchen und ner kleinen Saftflasche um die Ecke.. schaut sich die Kasse im vorbeigehen an... würde hier in 2 Minuten durch sein, weil mein Kram grad fertig gescannt war... und stellt sich dann eher bei den 5 Leuten nebenan an.
Find ich schon krass, dass mir da die Gründe ausgehen, warum kaum jemand an diese Kasse will.
Und das hier ist Hamburg, und kein 400 Seelen-Kaff auf dem Land. Nicht dass es da richtig wäre, aber da würde es mich weniger überraschen. Sorry, ich komm von da.
Und dann muss ein Teil nun auch noch nachdenken, ob sie nun nach der Anzahl Kunden bewertet wird und dann den Job am Ende nicht halten kann, weil "nicht genug durchsatz"...
Das macht mich grade echt fertig, weil es auch nicht einfach ist da was zu machen. Ich würd mal schauen ob ich ihr irgendwie mal so 1-2 naiv-aber-nicht-so-naive Fragen zuwerfen kann, ohne gleich einen auf den geilen Macker zu machen.
Edeka ist eher ein "gehobener" Supermarkt. Gerade die "gehobene" Mittelschicht und Bildungsbürgertum sind sehr gut darin, ihre rassistischen Vorurteile und Verhaltensweisen zu verleugnen und zu verschleiern, auch vor sich selbst.
Ich habe das auch jahrelang nicht mitbekommen (wollen), wieviel Rassismus so in meinem gutbürgerlichen Umfeld vorhanden ist, auch bei den Jüngeren, die zum Studieren und Leben in die hippe Großstadt gezogen sind.
Vielleicht hat man Menschen, die nicht als Biodeutsche durchgehen, und einem von ihren Erfahrungen erzählen. Und wahrscheinlich hat man es dann erstmal für einen seltenen Fall gehalten, oder nicht richtig ernstnehmen wollen. Oder man hat irgendwas auf der Straße mitbekommen, aber ja auch nur so halb und deswegen das mulmige Gefühl wieder weggedrückt.
Und dann gibt es irgendwann vielleicht doch mal ein Ereignis, wo die bewussten und unterbewussten Abwehrmechanismen kurz ausgesetzt haben, und man klar sieht, was vor einem passiert. Du hast ja selbst zahlreiche Gründe beschrieben, die man sich dann vielleicht noch als Strohhalm sucht, bis man feststellen muss es gibt keine.
Für mich war das erste deutliche Aha-Erlebnis, wie normalisiert Rassismus bei uns ist, als ich Ende Januar/Anfang Februar 2020 morgens in die brechend-volle S-Bahn gestiegen bin. Die Menschen standen dicht an dicht gedrängt, außer mit ca. 2m Abstand zu einer Frau die asiatisch aussah. Hätte auch nur einer der Leute ihr Gehirn zwei Schritte über die Startlinie getragen, hätten sie bemerkt, dass zu der Zeit die Fallzahl einstellig war, die Fälle alle von Deutschen kamen, die zurückgegangen sind/geholt wurden, und bereits Reisebeschränkungen für chinesische Staatsbürger bestanden. Ein 6er im Lotto war wahrscheinlicher, als von der Frau Corona zu bekommen.
Ich hab mich dann neben die Frau gestellt, aber leider auch nicht das Maul aufbekommen und den anderen Biodeutschen gesagt, was für Idioten sie sind. Aber auch da habe ich erstmal das Ganze irgendwie rational durchdacht. Dabei hat mir mein Gefühl schon im ersten Moment gesagt, dass das rassistische Scheiße ist, die da gerade passiert.
Ziemlich hanebüchenes Beispiel. Es war eine Pandemie im Anflug aus Asien und die Flüge gingen weiterhin munter hin und her. Klar das die Leute Angst haben sich anzustecken. Asiaten kennen Asiaten und sind auch mit Asiaten verwandt. Die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken ist einfach höher gewesen als von Nichtasiaten.
Wenn das dein Beispiel für Alltagsrassismus ist, 4 Jahre alt, dann haben wir tatsächlich kaum Probleme mit Alltagsrassismus.
Du selbst lieferst hier ein super Beispiel für Alltagsrassismus. Diese Folgerung dass Asiaten Asiaten kennen und daher wahrscheinlicher mit Menschen aus Wuhan oder sonstwo in China Kontakt hatten und es daher sicherer wäre Abstand zu halten ist völlig rassistisch.
Erstens kann der gewöhnliche Deutsche vermutlich nicht mal Koreaner von Japanern von Chinesen auseinander halten was schon mal eine Grundbedingung wäre um da eine Entscheidung zu treffen die eine solche Argumentation vielleicht stützen würde. Und zweitens (und das ist noch viel wichtiger) gibt es extrem viele Menschen in Deutschland mit asiatischem Aussehen die ihre Wurzeln hier haben und keine regelmäßigen physischen Kontakte mit Menschen in Asien haben.
Und drittens ist es klar dass das Virus nicht bei Menschen irgend einer ethnischen Herkunft bleibt. Sobald der erste am Flughafen irgendwen anhustet ist die Katze aus dem Sack und die ganze schöne Theorie eben bloss noch eins: Rassismus
Alter bleib mal bei den Fakten und werfe hier nich mit dem Rassismusvorwurf um dich. Wie kam den Covid nach Europa? Mit Vögeln? Wer hatte denn den zweiten Covid Spot in Süddeutschland eröffnet? Ein US Amerikaner? Meine Güte bist du Verkopft
Ich rede nicht mehr weitet mit so nem Rassismus-Umsichwerfer. Gleiche Liga wie Ausländer-Nehmen-Job-Weg. Nur invers.
Edit: Du wirst es nicht glauben, aber es gibt kaum schlimmere Rassisten als Asiaten. Leb da mal ne Weile, dann wirst du verstehen was ich meine.
Mit Business Travel. Hast du also möglichst alle die aussehen als ob sie 20 mal im Jahr fliegen gemieden? Nein, du hast die gemieden die irgendwann mal aus Asien hierher gezogen sind und wahrscheinlich so alle 1-2 Jahre mal ihre Familien besuchen wenn überhaupt so oft.
Und was hat das mit Rassismus zu tun? Das ist konkrete Gefahrenabwehr. Die Leute sind auch nicht auf internationale Messen gegangen oder andere große Treffpunkte.
Weil in deiner "Gefahrenabwehr" eben nicht die wahrscheinlichere Quelle "Mensch im schicken Anzug" sondern die weniger wahrscheinliche Quelle "Menschen die asiatisch aussehen" abwehren willst. Die Unterscheidung ist eben nicht rational, sondern emotional entlang rassistischer Vorurteile und Ängste. Das Grundgerüst ist eine "wir"-Zuschreibung und eine "nicht-wir"-Zuschreibung, wobei die Gefahr bei "nicht-wir" gesehen wird, auch wenn keine rationale Quelle hat.
Wenn das dein Beispiel für Alltagsrassismus ist, 4 Jahre alt, dann haben wir tatsächlich kaum Probleme mit Alltagsrassismus.
Dies war mein Aha-Erlebnis. Das Erlebnis indem meine selbstgebaute Mauer der Ignoranz Risse bekommen hat. Ich könnte dir ein Buch darüber schreiben, wieviel Alltagsrassismus ich seitdem beobachtet habe, bzw. Freunde von mir erlebt haben.
Es zeigt doch genau, wie Alltagsrassimus funktioniert. Es werden Vorurteile ausglebt, die so selbstverständlich für die Leute sind, dass sie diese nicht hinterfragen. Sie sind so selbstverständlich, dass sie auch nicht als Vorurteile anerkannt werden, und sie sind so selbstverständlich, dass ihre krasse rassistische Wirkung nicht hinterfragt wird, obwohl sie jedem ins Auge springen müsste, der die Situation live miterlebt.
Und es zeigt auch, wie gefährlich schnell aus Emotionen wie diffusen Ängsten eine konkrete Handlung wird, und wie schnell diese weiter eskalieren können. An dem Beispiel kann man sehen, wie schnell in Deutschland die Stimmung kippen kann, wie schnell Menschen, die sich niemals als rassistisch sehen würden, bei Rassismus mitmachen und wie schnell man dabei ist, das Geschehene irgendwie rechtfertigen zu wollen.
Also das Covid aus China kam, hat nichts mit Rassismus zu tun und ist einfach ein Fakt. Wenn ich jetzt Menschen meide, während der Covidzeit, die mir irgendwie einen Bezug zu China haben und somit eine höhere Wahrscheinlichkeit mich anzustecken, dann ist das nicht Rassismus. Es ist Gefahrenabwehr. Ich sage ja nicht Chinesen, sind doof, krank, wasweißich, weil sie Chinesen sind. Spricht ja auch einiges dafür, weil ja Chinesen jetzt wieder „normaler“ behandelt werden. Das Verhalten schien irgendwie was mit zeitlichem Verlauf zu tun zu haben.
Aber du würdest vermutlich auch nem Leprakrankem die Hand geben, weil könnte ja rassistisch sein, dies nicht zu tun. Aber auch nur wenn es kein Biodeutscher ist. Wenn es ein Biodeutscher ist, wäre das okay, oder?
die mir irgendwie einen Bezug zu China haben und somit eine höhere Wahrscheinlichkeit mich anzustecken
Und da ist halt dein rassistischer Fehlschluss. Jemand der einen Bezug zu China hat hat keine höhere Wahrscheinlichkeit dich anzustecken. Ansteckung passiert durch Leute die vor kurzem in Kontakt waren mit anderen Erkrankten, nicht mit Leuten deren Vorfahren aus dem Land kommen wo der erste Ausbruch war.
Die Lepra ist eine Infektionskrankheit, die durch den Erreger Mycobacterium leprae ausgelöst wird. Für die Übertragung bzw. die Infektion mit dem Erreger bedarf es eines langfristigen engen Kontakts mit einer infizierten Person. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion.
Durch simples Händeschütteln bekommt man kein Lepra.
Das ist es eben, die einen haben Asiaten gemieden ohne dass es Sinn machte, die anderen meiden Aidskranke, die nächsten fürchten sich vor Lepraansteckung und alles weil man Vorurteile pflegt statt mal das Gehirn einzuschalten.
Übrigens kann man einem Menschen auch nicht ansehen ob er Chinese ist, es wurden schlicht alle asiatisch gelesenen Menschen gemieden und zwar ohne Grund. Dass du das so oft erlebt hast, zeigt nur wie verbreitet Alltagsrassismus ist. Du argumentierst aber "weil es viele machen war es ok" und das ist daneben. Nein, nur weil viele unsinnige Angst hatten vor einem asiatisch gelesenen Menschen war das nicht sinnvoll oder richtig, es zeigt nur dass in der Masse Menschen blöd sind. Das Verhalten hat was mit Vorurteilen und Rassismus zu tun, Zeit spielte da keine Rolle.