Lauterbachs elektronische Patientenakte hat alle Hürden genommen. Sie ist supersicher und superunpraktisch – wird aber vor allem Frauen das Leben leichter machen.
An sich ist der Artikel gut. Anscheinend wird die ePA datenschutztechnisch gut.
Allerdings ist sie auch umständlicher zu bedienen, als es sein könnte. Der Artikel begründet das mit dem Datenschutz. Das Beispiel, das im Artikel genannt wird, könnte aber sicher auch datenschutzfreundlich und sicher implementiert werden. Konkret geht es um eine Volltextsuche innerhalb der Dokumente, auf die ein Arzt zugreifen kann.
Ich habe noch kein einziges Mal erlebt, dass eine Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung etwas anderes gebracht hat außer Kosten und Mehrarbeit für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Ok – beim E-Rezept bin ich mir nicht sicher, ich glaube, das ist arbeitsneutral. Bei erheblichen Kosten.
Natürlich ist der Übergang nervig. Egal worum es geht, im Endeffekt gibt es immer einen Medienbruch zwischen digitalen und analogen Prozessen und in vielen Fällen vermutlich sogar verschiedene Prozesse, die dasselbe tun.
Das ändert aber rein gar nichts daran, dass dieser Übergang notwendig ist. Je mehr der Daten und Prozesse digital sind, desto besser können die Vorteile der elektronischen Datenverarbeitung genutzt werden. Früher oder späters wirst du genauso wenig zum Vordigitalen Gesundheitswesen zurückwollen, wie du zum vorelekrtischen zurück möchtest. Obwohl ich mir sicher bin, dass Gaslampen früher oft praktischer erschienen und obwohl sehr viel Blödsinn mit Elektrizität betrieben wurde.
Es geht nicht um den Übergang von analog zu digital. Das erste, was ich nach meiner Niederlassung 1996 gemacht hatte, war, mir ein Praxisverwaltungsprogramm einzurichten und konsequent jedes Blatt Papier in der Praxis dreimal umzudrehen und zu überlegen, wie ich es loswerde. Und Anfang der 2000er hatten wir an einer ePA und einem elektronischen Arztbriefversand für unser damaliges Ärztenetz gearbeitet. Dann wurden die Förderungen für die Netze eingestellt, und es kam die große Digitalisierung. Also haben wir uns alle darauf gefreut, dass bald alles noch besser wird. 2006 sollten alle unseren digitalen Wünsche und Pläne wahr werden. 2006!
Es geht um das wie der Digitalisierung.
Für mich gibt es dabei ganz klar ein davor und ein danach.
Bevor der Staat sich eingemischt hat ging die Digitalisierung ziemlich gut voran und hat immense Arbeitserleichterungen gebracht. Praxissysteme, digitale Archivierung, LDT, ADT, elektronische Terminverwaltung und Blankoformulardruck waren ein Segen. DICOM sowieso. Es gab funktionierende Konzepte für eine ePA und einen elektronischen Arztbriefversand.
Danach – ab 2004 – kamen Versuche, über die Digitalisierung die Selbstverwaltung auszuhebeln, Vorschriften über Vorschriften, Kosten und keinerlei Benefit. (Ich bin mittlerweile aus der Praxis raus und weiß nicht, inwieweit das E-Rezept und die E-AU einen Benefit hat. Nach allem was ich bisher mitgekriegt habe, wohl nicht.)
Das schlimmste ist, dass es im Prinzip mit dem BDT seit Anfang der 1990er eine Schnittstelle für eine dezentrale ePA gab. Mit PGP war ein datensicherer elektronischer Daten- bzw. Arztbriefversand seit 1991 möglich! Aber nein, wir machen's wieder wie damals mit der Maut, erfinden das Rad fünfmal neu und bauen ein IT–Monster auf, dass im Endeffekt außer Kosten und fast 20 Jahre Zeitverzögerung nahezu nichts gebracht hat.
BDT seit Anfang der 1990er eine Schnittstelle für eine dezentrale ePA gab
Dezentral in Bezug auf den Datenschutz Vorteile, bietet aber deutlich weniger Möglichkeiten. Es geht bei der ePa schließlich nicht nur darum Daten im Bedarfsfall zu übertragen, sondern sie immer zur Verfügung zu haben und ggf. für nicht direkt mit einer Behandlung verbundene Dinge wie Abrechnungen und die Forschung zu nutzen.
Dass es vermutlich schlauer gewesen wäre die bestehenden Lösungen als Basis zu nutzen, ist eine andere Geschichte.
Das sollte aber kein Grund sein weiter auf ineffizienten analog Systemen hängen zu bleiben, die weiter Beamtenapparat überlasten.
Ich habe das Gefühl, dass meistens die analogen Prozesse 1:1 mit digitalen Systemrn nachgebildet werden und nicht hinterfragt wird, wie man das generell besset machen kann. Frei unter dem Motto "Das muss so, das geht nicht anders".
Wenn das das einzige Problem wäre! Die Systeme, mit denen ich bisher gearbeitet habe, geben darüberhinaus keinen Pfifferling auf eine tatsächliche bedienbare Oberfläche, und die Nutzer geben sich damit zufrieden. An der Hardwareausstattung wird dann auch noch gespart. Ich bin echt gespannt, ob unser Papierverbrauch in den nächsten zwei Jahren ab- oder zunimmt.