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Deutsche Rechtsradikale tummeln sich gerne in der Schweiz - infosperber

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Die Übergänge von rechtspopulistischer Politik zu ultrarechten Kreisen sind in Deutschland und in der Schweiz zunehmend fliessend.

Wenn man in der Region währschaft essen gehen will, ist man im Gasthaus St. Meinrad im Kanton Schwyz richtig. Das weiss offenbar auch Alice Weidel von der deutschen Rechtspartei AfD, die sich dort im Spätsommer mit Ex-Bundesrat Ueli Maurer von der SVP traf. In der Idylle des Voralpengebiets rund um den Wallfahrtsort Einsiedeln, mit der Schwarzen Madonna in der Klosterkirche, trafen sich die beiden ungleichen Rechtsaussen im besagten Lokal, das unweit des schweizerischen Wohnorts von Weidel liegt.

Vor einigen Jahren zog die Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion im deutschen Bundestag mit ihrer Lebenspartnerin und ihren Kindern aus Biel im Kanton Bern nicht ganz freiwillig in das katholisch-konservative Einsiedeln. Hier «fühlen wir uns sehr wohl, hier kennt man uns», wie die Partnerin von Weidel freimütig in einem Interview hervorhob. Dies kam nicht von ungefähr, wurden sie doch aus dem eher städtisch-migrantischen Biel mehr oder weniger rausgeekelt. Und hier nun, mit Blick in die Schweizer Hochalpen, trafen sich Alice Weidel und Ueli Maurer beim währschaften Essen, angeblich geheim, um was zu besprechen. Offizielle Verlautbarungen gab es nicht. Aber genügend politische Gemeinsamkeiten zwischen der SVP und der AfD sind bekannt.

Die deutschen Rechtsradikalen tummeln sich gerne in der Schweiz. Da gab es 2016 im grenznahen Kanton St. Gallen ein Rechtsrockkonzert mit 5’000 Teilnehmenden vornehmlich aus Deutschland, fast ausschliesslich deutschen Rechtsrockbands und organisiert von Thüringen aus. Nicht lange her, im Sommer 2022, trafen sich im Zürcher Oberland in einem Waldgelände Dutzende Rechtsradikale, vor allem aus Deutschland, in einem Pfadfinderheim. Ein prominentes Beispiel der rechtsradikalen Netzwerke in der Schweiz ist die Verbindung des Neonazis und NPD- (jetzt «Heimat»-) Strippenziehers Thorsten Heise aus Thüringen. Als dessen Sohn infolge eines Vorwurfs der Körperverletzung und des Raubes an einem Journalisten ins Visier der Ermittlung geriet, gelang ihm der Move ins Wallis, und Heise brachte seinen Sohn als Auszubildenden bei einem befreundeten Schweizer Neonazi-Unternehmer unter.

Doch auch weniger militante, sich etwas zivilisierter gebende Rechtsradikale aus Deutschland nutzen die Schweiz als Rekrutierungs- und Kommunikationsort. So führte der bekannte Reichsbürger und Holocaustleugner Matthias Weidner ein Seminar zum Thema «Leben im Willkürstaat» mit dem verbreiteten antisemitischen Narrativ der «geheimen Weltregierung» am Walensee in der Schweiz durch. Pikanterweise – und da zeigt sich der Übergang in die rechtspopulistische Gefahrenzone – wurde das Seminar ebenfalls von einem bekannten SVP-Vorstandsmitglied und Mediensprecher aus Graubünden besucht, der zudem als Unternehmensberater einen zweistündigen Vortrag über «bewährte und praktizierte Möglichkeiten der Vermögenssicherung für Einzelne, Familien, Selbstständige und Unternehmen im Ausland» platzierte. So vermehrt sich Geld über rechte Ideologie nach Schweizer Art. Dass, wiederum im Kanton St. Gallen, im Zuge einer Reichsbürger-Razzia im Frühjahr 2023 auch zwei Schweizer Staatsbürger mit Verbindung zur deutschen Reichsbürgerszene und zur schweizerischen Rechtsauslegerinitiative «Massvoll» festgenommen wurden, dürfte indes kein Zufall gewesen sein. Bekanntlich ist die ultrarechte «Massvoll»-Initiative anlässlich der Nationalratswahlen in zwei Kantonen eine Listenverbindung mit der SVP eingegangen.

Die Schweizer Behörden registrieren in der letzten Zeit vermehrt Aktivitäten deutscher Neonazis in der Schweiz. Dazu gehören auch solche Organisationen, die in Deutschland mittlerweile verboten sind, wie etwa Blood & Honour, die Hammerskins oder Combat 18. Dies hat auch mit den unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen in der Schweiz und in Deutschland zu tun, wie der Berliner Rechtsextremismusforscher Hajo Funke hervorhebt, weil in der Schweiz neonazistische Symbolik, wie etwa das Hakenkreuz oder der Hitlergruss, nicht verboten sind, es keine Pflicht des Mitführens von Ausweispapieren gibt und das Schweizer Waffengesetz den Besitz von und vor allem den Handel mit Waffen begünstigt. Zudem verläuft die behördliche Koordination zwischen Deutschland und dem Nicht-EU-Land Schweiz weniger reibungslos, als das etwa mit Österreich der Fall ist, wo sich deutsche Rechtsextreme auch gerne aufhalten. Das hat sich im Übrigen auch Stephan Ernst zunutze gemacht. Stephan Ernst hatte vor vier Jahren den Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet. Die Waffe, die Stephan Ernst erworben hatte, gelangte zuvor von der Schweiz nach Deutschland, genauso wie vorher schon Waffen, die der «nationalsozialistische Untergrund», NSU, verwendet hatte. Der NSU ermordete zwischen 2000 und 2007 neun Personen mit Migrationshintergrund und verübte in Deutschland insgesamt 43 Mordanschläge.

Dass die AfD-Frontfrau Weidel sich hierzulande wohlfühlt, dürfte indes nicht nur am Wallfahrtsort Einsiedeln und seiner Schwarzen Madonna liegen, sondern auch an mutmasslichen Geldflüssen, die immer wieder die deutsche Staatsanwaltschaft und die Bundestagsverwaltung in Aktion bringen. Jüngstes Beispiel 2022 sind ungeklärte Geldzuwendungen an die AfD für Medienproduktionen, die via Bayern aus der Schweiz möglicherweise über den deutsch-schweizerischen Milliardär und Immobilienhändler Henning Conle in Zürich gelaufen sind. Schon 2017 hatte Weidel laut Recherchen verschiedener deutscher und schweizerischer Medien vom selben Milliardär einen «150’000-Franken-Wahlkampf-Zustupf», so der Zürcher Tagesanzeiger damals, bekommen.

Kurz: Rechtsradikale mögen die Schweiz, weil sie dort keine oder kaum Strafen für z.B. Hakenkreuze bekommen. Außerdem liegt es geographisch nahe, man kann in der Schweiz relativ leicht an Waffen kommen und sie bekommen Geld von Schweizer Milliardären.

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