Deutschland hat die mit Abstand niedrigste Schuldenquote unter den großen Industrienationen: Die Regierung arbeitet sich an einem Thema ab, das eigentlich keines ist.
Deutschland ist im internationalen Vergleich nicht überall vorne. Bei der Bildung nicht, bei der Qualität der öffentlichen Infrastruktur nicht. Beim Fußball sowieso nicht. Nur bei den Schulden, da macht uns niemand etwas vor. Wir haben nämlich in Wahrheit nicht so viele davon. Jedenfalls im Vergleich mit anderen Ländern.
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Hier ein paar Zahlen: Die deutsche Staatsschuldenquote betrug im vergangenen Jahr 66,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die britische 102,6 Prozent, die französische 111,1 Prozent, die amerikanische 121,7 Prozent, die japanische 261,3 Prozent. Deutschland hat unter den in der Gruppe der G7 zusammengeschlossenen führenden westlichen Industrienation die niedrigste Schuldenquote. Sie haben richtig gelesen: die niedrigste. Nicht die höchste. Und die weiteren Aussichten sind ebenfalls nicht sonderlich beunruhigend: Bis zum Jahr 2028 wird diese Quote nach Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds auf 57,5 Prozent sinken. Sie fiele damit unter den Richtwert von 60 Prozent, der im Vertrag von Maastricht – dem Gründungsdokument der Währungsunion – festgelegt ist.
Jetzt kann man lange darüber streiten, ob es nicht besser wäre, wenn die Schulden noch niedriger wären. Vielleicht, das ist ein bisschen Ansichtssache. Andererseits wäre die Bahn vielleicht heute pünktlicher, wenn in den vergangenen Jahren nicht ständig gespart worden wäre. Und vielleicht wären dann auch die Schulen in einem besseren Zustand. Aber wofür der Staat das Geld ausgibt, ist das Ergebnis einer politischen Prioritätensetzung. Und in einer Demokratie werden Politiker gewählt. Insofern hat jedes Land vielleicht die Infrastruktur, die es verdient.
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Deutschland hat ein Schuldenbremsenproblem
Aus einer rein ökonomischen Perspektive allerdings hat Deutschland vielleicht ein Schuldenbremsenproblem, aber kein Schuldenproblem. Wenn Christian Lindner jetzt eine Haushaltssperre verkündet, dann hat das wenig damit zu tun, dass der Staat nicht mehr über genug Geld verfügt. Lindner könnte sich jederzeit problemlos einen zweistelligen Milliardenbetrag borgen. Die Schuldenquote würde sich dadurch vielleicht im Nachkommabereich verändern. Wir wären aber immer noch Sparweltmeister. Mit großem Abstand.
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Die traurige Wahrheit ist: Die Regierung droht sich gerade, an einem Problem zu zerlegen, das es eigentlich nicht gibt. Dieses Schauspiel muss schnell beendet werden. Es gibt genug Probleme, die es gibt.
Können wir mal ehrlich darüber diskutieren, was die Vor- und Nachteile einer Schuldenaufnahme sind? Es würde mich ernsthaft interessieren. Meine Milchmädchenrechnung sagt, dass es unverantwortlich ist, mehr auszugeben, als man einnimmt. Aber vielleicht gibt es irgendwelche Volkswirtschaftlichen Gründe / Finanztrickereien, die ernsthaft begründen, warum das für den Staat nicht gilt?
Vorteile einer Schuldenaufnahme:
Kurzfristig (!) mehr Geld zur Verfügung
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Nachteile einer Schuldenaufnahme:
Spätere Generationen müssen sie zurückzahlen
Zusätzliche Zinslast.
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Worauf wartet man da? Darauf, dass die Inflation die Schulden auffrisst? Und warum würde das nicht funktionieren, wenn ein Individuum das versucht?
Du kannst als Privatperson einen Kredit aufnehmen, in irgendetwas investieren, was die Zinsrate deines Kredits übertriffst und machst damit Gewinn, fährst aber auch das Risiko einen größeren Verlust zu haben, wenn sich das Investment nicht auszahlt.
Bei Unternehmen sieht es ähnlich aus: Da werden Kredite aufgenommen, um mehr Mitarbeiter einzustellen/Produktkapazitäten zu erhöhen/R&D zu finanzieren und und und. Wenn du dadurch den Umsatz ausreichend steigerst, hast du alles richtig gemacht.
Investition in Bildung ist bei Staaten so das Paradebeispiel. Je höher der Bildungsgrad deiner Bevölkerung, desto bessere Jobs können sie bekommen und desto mehr Geld verdienen sie. Dadurch profitierst du als Staat durch höheres Steueraufkommen. Dieselbe Argumentation funktioniert auch für Migration: mehr Menschen können mehr erwirtschaften, dadurch fallen mehr Steuern für den Staat ab. Selbst bei Sozialausgaben an die Ärmsten der Gesellschaft kann man argumentieren, dass die sowieso ihr komplettes Einkommen verkonsumieren müssen, was wiederum teilweise in Steuern an den Staat zurückfließt. Das ist also ein kleineres Verlustgeschäft als wenn man Gelder an vermögende Personen ausschüttet, weil die das sehr wahrscheinlich auf ihrem Bankkonto oder in irgendwelchen Finanzinstrumenten parken.
Ok, ich verstehe, was du meinst. Investitionen können sich auszahlen, das ist ein valides Argument.
Dennoch bin ich kein Fan davon, Dinge, die eigentlich nicht überraschend kommen, und jedes Jahr zu tätigen sind, wie Ausgaben im Gesundheitsbereich oder Bildung oder Sozialleistungen oder Infrastruktur aus Schulden zu finanzieren. Dieser Denkweise liegt nämlich zugrunde, dass wir ein wachsendes BIP und damit in Zukunft mehr Steuereinnahmen haben. Aber ich glaube nicht an ein weiteres Wirtschaftswachstum.
Ganz im Gegenteil, vieles von dem, was in den letzten zwanzig Jahren gemacht wurde, begeistert mich nicht. Man denke daran, dass die Reichen immer reicher werden, die Armen immer ärmer, und sich dieses Problem auch durch Wirtschaftswachstum nicht ändern lässt. Ganz im Gegenteil, die Schere geht immer weiter auf. In meinen Augen brauchen wir eine ehrliche Reflektion darüber, wo wir als Gesellschaft hinwollen, und wie wir dorthin kommen, ohne nur dumm den Zahlen und dem Wirtschaftswachstum hinterherzulaufen.
Dennoch bin ich kein Fan davon, Dinge, die eigentlich nicht überraschend kommen, und jedes Jahr zu tätigen sind, wie Ausgaben im Gesundheitsbereich oder Bildung oder Sozialleistungen oder Infrastruktur aus Schulden zu finanzieren.
Darum geht es in der Diskussion doch überhaupt nicht. Du führst hier einen Kampf gegen Windmühlen. Natürlich sollten konsumtive Ausgaben aus dem Steuer- und Abgabenaufkommen finanziert werden. Dagegen hat doch niemand etwas. Es geht um Investitionen in die Zukunft, die von dieser dämlichen Schuldenbremse, die offenbar auch noch keinerlei wissenschaftliche Begründung hat, verunmöglicht werden.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds wird verstärkt über die Schuldenbremse diskutiert. Abschaffen oder beibehalten, wofür plädieren Sie?
Auf diese Alternative lasse ich mich nicht ein. Ich will die Schuldenbremse nicht abschaffen, sondern reformieren. Die öffentliche Diskussion krankt genau an dieser zugespitzten Fragestellung. Schon ein kritischer Hinweis wird von den Gralshütern der Schuldenbremse als Angriff auf den Grundgedanken gewertet. Natürlich brauchen wir eine Fiskalregel. Das Grundgesetz hatte auch immer eine. Das Grundgesetz von 1949 hatte eine Schuldenregel, das Grundgesetz von 1969 ebenfalls, und dann ist 2009 die jetzige in die Verfassung gekommen. Man muss nur fragen, ob sie ihre Aufgabe erfüllt und angemessen ist.
Ist sie das?
Aus meiner Sicht ist die Schuldenbremse in ihrer heutigen Form aus der Zeit gefallen. Die Beschränkung der Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist nicht begründet, weder theoretisch noch empirisch. Zudem muss sie in Einklang gebracht werden mit einem anderen Verfassungsgerichtsurteil, das es zwischenzeitlich gab - dem zum Klimaschutz.
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Ihnen geht es ausdrücklich nicht darum, die Schuldenbremse zu lockern, um beispielsweise in der Sozialpolitik größere Spielräume zu schaffen.
Nein, um Gottes Willen - das darf natürlich keinesfalls passieren. Was aus dem normalen Haushalt zu finanzieren ist, muss aus dem normalen Haushalt mit Steuern und Abgaben finanziert werden. Das betrifft die Sozialpolitik wie auch andere konsumtive Ausgaben. Es beträfe eigentlich auch die Verteidigungsausgaben, nur haben wir bei der Bundeswehr das Problem, dass man 16 Jahre Unterfinanzierung nicht in einem Steuerhaushalt korrigieren kann.
[…]
In diesem Jahr hat Deutschland allein für die Zinsen knapp 30 Milliarden Euro ausgegeben. Wird das nicht langsam zu teuer?
Die Frage ist nicht, wie hoch Schulden sind, sondern wie tragfähig sie sind. Die Schuldenstandsquote hat einen Zähler und einen Nenner: Im Zähler stehen die Schulden, im Nenner steht das Bruttoinlandsprodukt. Im letzten Jahr lag die Schuldenquote bei 66,3 Prozent - wir stehen also relativ gut da. Kein Unternehmen würde seine Investitionen nur aus dem Cashflow bestreiten. Wenn wir Investitionen allein aus dem Jahreshaushalt finanzieren, hieße das, dass die jeweilige Generation keinen Anlass hat, etwas zu tun, denn sie selbst hat davon ja keinen Nutzen. Für mich beispielsweise muss keine Transformation organisiert werden, ich bin 61, mit kann der Klimawandel völlig egal sein. Aber für meine Kinder und Enkelkinder ist das Thema wichtig. Es wäre zu kurz gedacht, Generationengerechtigkeit nur fiskalisch zu verstehen.
Union und FDP haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts betont, wie gut es sei, dass die Schuldenbremse nun gestärkt wurde. Ist damit nicht eigentlich klar, dass diese Diskussion politisch zum Scheitern verurteilt ist?
Das mag so sein, aber das werfe ich den beiden Parteien auch vor. Ich finde es intellektuell unwürdig, eine einmal zufällig gefundene Regel als heilige Veranstaltung zu bewerten. Die von Ihnen genannten Parteien berufen sich gern auf Ludwig Erhard oder auf Ordnungsökonomen wie Walter Eucken. Aber von denen hätte keiner so dürftig argumentiert, sie hätten immer gefragt: Passt die Regel in die Zeit? Ich bin der Meinung, dass wir diese Diskussion führen müssen. Sie nicht zu führen, hat uns genau dahin gebracht, wo wir jetzt stehen. Dieses Urteil ist ja nicht nur ein Desaster für die Regierung, sondern genauso für die klagende Oppositionspartei, die keine Antwort darauf hat, wie die Transformationsinvestitionen finanziert werden sollen. Eine ernsthafte, erwachsene Debatte muss doch ermöglichen, dass wir über eine Regel nachdenken, die in ihrer Zeit eine gute Begründung hatte. Dieses Tabu rund um die Schuldenbremse ärgert mich wirklich maßlos. Wenn Politik so stattfindet, dann ist sie am Ende.
Ich habe das Gefühl, dass wir uns im Endstadium des Kapitalismus befinden, und ein paar große Unternehmen noch das letzte Mal ein paar große Brocken einstecken wollen. Wenn die Schuldenbremse aufgehoben wird, dann bekommen sie diese großen Brocken. Darum machen sie einen Haufen Werbung in diese Richtung.
Ich denke aber, dass ein nüchterne und sachliche Beurteilung aus der Ferne zu dem unmittelbaren Schluss führen würde, dass eine Lockerung der Schuldenbremse genau das Gegenteil ist von dem, was wir brauchen. Ich merke hier schon, dass ich hier nicht gehört/verstanden werde, sei's drum.
Edit: und ja, natürlich, erneuerbare Energien haben große Anfangskosten, da sollte man natürlich billige Kredite zur Verfügung stellen.
[...] da sollte man natürlich billige Kredite zur Verfügung stellen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sie die am derzeitigen Markt sowieso in großen Mengen bekommen würden, weil das Risiko niedrig ist.
Hast du das schon den Banken und Unternehmen erzählt? Die scheinen davon noch nichts mitbekommen zu haben. Wir haben eine Hochzinsphase. Der Leitzins ist vor kurzem sogar noch mal erhöht worden.
Hohe Zinsen, schwache Konjunktur: Die Banken verleihen Geld zunehmend zögerlicher. Das bekommen insbesondere Unternehmen aus dem Mittelstand zu spüren.
[...]
Dennoch sind die neuesten Umfrageergebnisse etwas überraschend: Die Bundesbank hatte noch im Juli bei einer Umfrage Hinweise auf ein Ende der restriktiven Kreditvergabe erhalten. Die tatsächliche Entwicklung danach stehe dieser Erwartung jedoch diametral entgegen, heißt es in einem Bericht der KfW.
Die Gründe für die Zurückhaltung der Banken bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen sieht die KfW sowohl im anhaltenden Zinsanstieg als auch in der sich verschlechternden wirtschaftlichen Stimmung und den gesenkten Konjunkturprognosen. So waren demnach zuletzt im Schnitt mehr als fünf Prozent Zinsen auf Unternehmenskredite fällig, während es im Dreimonatszeitraum von April bis Juni noch 4,7 Prozent gewesen waren.
Das sind valide Bedenken, aber gehen ein bisschen am Thema vorbei. Unser Geldsystem beruht auf Schulden: Damit irgendjemand etwas besitzen kann, muss irgendwer anderes Schulden haben. Ich bin ganz froh darüber, wenn das der Staat ist und nicht Privatpersonen. Aufgrund der Inflation muss der Schuldenberg eines Staates wachsen, wenn sich das Vermögen der Bevölkerung nicht verringern soll. Die Verteilung des Reichtums ist dann eine andere Frage.
Irgendwann wird es sicherlich den nächsten Crash geben und ich hoffe, dass man sich danach einem Systemwechsel versucht. Die Chance dafür ist leider nicht allzu hoch.
Du kannst dir jetzt Geld leihen, um dir ein Auto kaufen. Damit kannst du deinen Job, direkt in deiner Nähe kündigen und stattdessen einen annehmen, der weiter entfernt ist. Da bekommst du aber ein paar hundert Euro mehr im Monat. Bis zum Rest deines Arbeitslebens. Sind das jetzt Schulden oder eine Investition von der du langfristig profitierst?
Und jetzt stell dir vor du bist ein Staat. Es gibt keine begrenzte Zeit bis zum Rentenalter, in der du profitierst.
Und es wird noch besser: Die Zinsen sind viel niedriger, denn jemand, der dir persönlich Geld leiht berechnet das Risiko mit ein, dass du stirbst bevor du das Geld zurück zahlen kannst. Staaten sterben nicht an Altersschwäche.
Es ist also mitnichten so wie du schreibst:
Vorteile einer Schuldenaufnahme:
Kurzfristig (!) mehr Geld zur Verfügung
Nachteile einer Schuldenaufnahme:
Spätere Generationen müssen sie zurückzahlen
Zusätzliche Zinslast.
Dir steht nicht kurzfristig mehr Geld zur Verfügung, sondern du kannst jetzt mit Geld langfristig in Verbesserung der Infrastruktur investieren.
Und du hast auch keine späteren Generationen, die arm werden, weil sie Schulden zurückzahlen müssen. Du hast spätere Generationen die jedes Jahr und immer wieder höhere Einnahmen haben, weil sie in einem Land mit guter Infrastruktur erfolgreichen und produktiever wirtschaften können. Und nur ein Teil dieser Mehreinnahmen fließt zur Tilgung der Schulden ab. Der Rest macht sie reicher.
Klar, man kann nicht unbegrenzt immer wieter Schulden aufnehmen, ohne sie zurückzuzahlen. aber das tut ja auch niemand. Deutschland hat gespart als die Zeiten gut waren und die Schuldenquote reduziert. Jetzt sind die Zeiten nicht gut, also muss man investieren, um die Situation zu verbessern.
Oder, zurück zur ursprünglichen Analogie:
Dein lokaler Arbeitgeber macht demnächst zu. Investierst du Geld (auch wenn du es dir leihen must) in ein Fahrzeug, um weiter entfernt einen neuen Job anzunehmen, oder setzt du dich zu Hause hin und wartest ob ein neuer Job vom Himmel fällt, um ja keine Schulden zu machen während du in Wirklichkeit die ganze Zeit durch Ausgaben aber kein Gehalt ärmer wirst?
"Du hast spätere Generationen die jedes Jahr und immer wieder höhere Einnahmen haben, weil sie in einem Land mit guter Infrastruktur erfolgreichen und produktiever wirtschaften können."
Das bedeutet, dass du daran glaubst, dass wir Wirtschaftswachstum erzwingen können, indem wir einfach nur genug investieren. Ich halte das für grundfalsch, weil die Annahme sein muss, dass es eben kein Wirtschaftswachstum gibt (wie es in der überwiegenden Mehrheit der letzten 2000 Jahre der Fall war). Und es ist ein Glückstreffer, falls es doch Wirtschaftswachstum gibt, aber ein Staat ist kein Casino, und wir dürfen nicht auf etwas spekulieren, dass es möglicherweise vielleicht in Zukunft geben wird. Das ist unverantwortlich. Wenn du dir die Grafiken anschaust, wie viel Wirtschaftswachstum wir in den letzten sechzig Jahren hatten, dann siehst du, dass die Kurve jetzt gerade gegen null geht. Quelle:
Wenn du davon ausgehst, dass das Wirtschaftswachstum nicht einfach steigen kann, ändert das am Gesamtergebnis gar nichts.
Dann geht es darum, ob wir mehr von der vorhandenen Wirtschaftsleistung erhalten, wenn wir investieren, oder noch mehr verlieren, weil wir es nicht tun.
Oder alternativ: Die Schrumpfung der Wirtschaft ist unvermeidlich und keine Investition kann das ändern. Investieren wir jetzt darin, den Verlust vernünftig und tragbar zu verteilen oder schauen wir einfach zu, wie an einigen Stellen noch größere (diesmal vermeidbare) Verluste zusätzlich entstehen.
Das Ergebnis ist immer das selbe.
Und was das Wichtigste ist: man hat sich nicht wirklich Schulden gespart. Man hat nur den Geldverlust an der einen Stelle gespart, auf Kosten von weiterem Verfall der Infrastruktur, was dann wieder Geldverlust an anderer Stelle verursacht.
Genau wie die Vorgängerregierung -ihren Gelaber von "keine Schulden" zum Trotz- genau das getan hat: Sie haben Schulden angehäuft. Nicht im Finanzhaushalt, sondern Investitionsschulden in notwendige Infrastruktur, massiv und Jahr um Jahr. Und die selben Leute, die jahrzehntelang massive Investitionsschulden produziert haben, schimpfen nun laut über die unverantwortliche Ampel, die finanzielle Schulden aufnehmen will, um die Investitionsschulden zurückzuzahlen. (Fun fact: Wartung von z.B. Straßen kostet Geld. Sie nicht zu warten und irgendwann den Punkt zu erreichen, wo Abriss und Neubau einfacher sind, kostet mehr Geld. So gesehen, sind die Investitionsschulden soagr noch viel übler, denn in Geld umgerechnet, sind die Zinsen verdammt hoch. Was macht man noch gleich bei ungünstigen Zinsen, wenn es bessere Angebote gibt? Richtig... Umschulden!)
Oder, weil ich eben so schön im Fluss war, was vereinfachte Analogien angeht:
Deine finanzielle Situation verschlechtert sich zeitweise durch externe Einflüsse. Nimmst du (in durchaus tragbarem Rahmen) Schulden auf, um weiter leben zu können, und sie später zurückzuzahlen, wenn die Situation sich gebessert hat, oder sparst du beim Essen bis deine Gesundheit darunter leidet und es noch teurer für dich wird?
Infrastruktur ist die grundlegende Versorgung der Volkswirtschaft. Wenn du daran spart schadest du deiner Gesundheit selbst und das gesparte Geld (und noch mehr) verlierst du durch Verlust der Produktivität.
Wie können Investitionen in die Infrastruktur (die noch dazu dringend nötig sind, exakt weil sie jahrelang kaputtgespart wurde) effektiv Schulden sein, die um jeden Preis vermieden werden müssen? Im schlimmsten Fall ist es eine Umschuldung zu besseren Konditionen.
Ok, vielleicht gibt es ein Missverständnis in der Terminologie:
Investition: Geld hineinbuttern, um ein zukünftiges Wachstum zu verwirklichen.
Wartung: Geld ausgeben, um Strukturen zu erhalten.
Sozialleistungen: Geld ausgeben um des sozialen Friedens willen.
Sozialleistungen und Wartung sind natürlich ok, und dagegen habe ich niemals etwas gesagt. Investitionen sind nicht ok, weil die Aussicht auf zukünftiges Wirtschaftswachstum fehlt.
Die knallharte Realität ist, dass es nicht Casino ist, in einer Krisensituation Schulden aufzunehmen, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.
Es ist Casino nicht zu investieren und zu hoffen, dass es schon irgendwie gutgeht. Die Realität ist aber, dass dann das Land, die Wirtschaft und die Menschen eiskalt baden gehen. Wir haben gesehen, wie die erzwungene Austeritätspolitik in Ländern wie Griechenland aus Einstelligen, Zweistellige Schrumpfungsraten gemacht hat. Damit nutzt du übrigens null für Postwachstum, Unweltschutz o.ä. Denn in der Folge werden Kosten externalisiert, also die Ressourcenbelastung und Umweltzerstörung raufgefahren. Auch politisch sind das beste Voraussetzungen, um extremistische Parteien an die Macht zu bringen, die ihreWirtschaftsversprechen dann mit Raub bei den Nachbarn, also Krieg, umzusetzen.
Der Zusammenhang zwischen Weltwirtschaftskrise, Zusammenbruch der Weimarer Republik und Aufstieg der Nazis sollte da eine eindrückliche Warnung sein.
Eine zerstörte Umwelt, ein zerbombtes Land, Millionen Tote. Das ist alles real und kann nicht mehr geändert werden. Schulden sind und bleiben dagegen eine Vereinbarung.
Wenn du Schulden nur aufnimmst, um Wahlgeschenke wie das Baukindergeld oder die Renten zu erhöhen zu machen, hilft das relativ wenig, ja.
Wenn du für 6 % Schulden aufnimmst für 30 Jahre, um die Bahninfrastruktur die nächsten 50 Jahre zu sanieren und das einen jährlichen BIP Wachstum von 2 % macht und wenn du es nicht machst, das BIP um 5 % schrumpft, dann ist es eine sinnvolle Investition.
Klüger wären halt Schuldenaufnahme für Infrastruktur gewesen, als wir noch Geld fürs Leihen bekommen haben.
Dann müssen spätere Generationen sie zwar zurückzahlen, aber sie machen auch Gewinn mit der Investition.
Worauf wartet man da? Darauf, dass die Inflation die Schulden auffrisst? Und warum würde das nicht funktionieren, wenn ein Individuum das versucht?
Das funktioniert nur mit langer Zinsbindung.
Unternehmen finanzieren auch gerne mit Fremdkapital. Denn wenn du eine Rendite von 15 % hast, wärst du blöd, wenn du nicht Geld zu 8 % aufnimmst und es vermehrst.
Die vorherigen Antworten erklären das Prinzip schon ganz gut. Ich möchte aber noch mehr auf den Punkt "zukünftige Generationen müssen das dann zurückzahlen" eingehen.
Gehen wir mal davon aus, der Staat nimmt Schulden auf und tätigt eine wirtschaftlich schlechte Investition, die langfristig keine oder nur eine geringe Rendite verspricht. Irgendwann später läuft die dafür an Banken verkaufte Staatsanleihe ab und die Schulden inklusive Zinsen müssen getilgt werden. Das passiert aber in aller Regel mit dem Verkauf weiterer Staatsanleihen und nicht mit Steuergeldern. Solange die Wirtschaft noch gut läuft und genug Vertrauen da ist, dass sich dieser Prozess auch in Zukunft wiederholen lässt, müssen zukünftige Generationen auch nichts von ihrem Geld/Wohlstand dafür hergeben. Werden allerdings immer mehr schlechte Investitionen getätigt, sinkt dieses Vertrauen und es wird zunehmend risikoreicher Staatsanleihen zu erwerben.
D.h., in erster Linie verliert bei einer schlechten, durch Schulden finanzierte Investition der jetzige Halter einer Staatsanleihe, da das bei Kauf angesetzte Risiko niedriger ausfällt als das momentane. Würde man jetzt eine Staatsanleihe kaufen, erhielte man einen höheren Zinsertrag. Das ist ähnlich zum Sinken einer Aktie bei fragwürdigen Unternehmensentscheidungen.
Und jetzt noch eine Sache zur Einstellung "man kann nur ausgeben was man einnimmt". Für Privatperson in einigen Situationen sicher sinnvoll und selbst Unternehmen wollen zumindest irgendwann mal schwarze Zahlen schreiben. Nicht aber der Staat, der , genau anders herum, zunächts einmal Geld ausgeben muss bevor er es über Steuern wieder einnehmen kann. Schließlich müssen Menschen konsumieren, damit Unternehmen Einnahmen haben und wiederum Leute anstellen und Löhne zahlen können, damit diese wieder konsumieren können usw. Würde Deutschland, die Eurozone und alle anderen Länder der Welt ihre Schulden schlagartig ausgleichen (mit Geld, dass aus der Wirtschaft gezogen würde), gäbe es keine Bank mit Vermögen mehr und im Prinzip auch keine Möglichkeit mehr für irgendjemanden an Geld zu kommen.
Steuern sind also vielmehr ein Instrument zur Umverteilung und Konsumsteuerung als dass sie den finanziellen Handlungsspielraum eines Staates bestimmen.