Führungskräfte des Tesla-Werks in Grünheide haben häufig krankgeschriebene Mitarbeiter zuhause aufgesucht. Der Werksleiter verteidigt das Vorgehen - die Gewerkschaft IG Metall spricht von einer "abwegigen Aktion".
"Ein Großteil wurde nicht angetroffen, teils war sehr aggressives Verhalten zu spüren."
Was haben die denn erwartet? Eindringen in die Privatsphäre mit impliziter Unterstellung man würde systematisch lügen, und darauf sollen die Leute dann nicht aggressiv reagieren?
Ich verstehe gar nicht, was deren Best-Case-Szenario bei diesem Vorgehen war? Angekommen der krankgemeldete Arbeitnehmer sitzt mit einem Glas Sangria und Freunden Zuhause am Pool und hört die Mallorcahits 2007. Was dann? Das ist doch kein Nachweis für eine unberechtigte Krankmeldung. Man kann aus den verschiedensten Gründen krankgeschrieben sein. Psychische Überlastung im Job durch paranoide Vorgesetzte wäre zum Beispiel ein völlig legitimer Grund. Und bei sowas muss man nicht das Bett hüten. Man kann Freunde treffen, Sport treiben, Hobbies nachgehen etc.
Wenn sie Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Krankschreibung haben, können sie glaube ich auf eine Untersuchung beim Amtsarzt o.ä. bestehen. Irgendein Manager aus einer Autofabrik hat doch keinerlei Kompetenz, die Arbeitsfähigkeit eines Menschen zu bewerten. Zumal der Arbeitgeber ja nicht mal die Diagnose kennt.
Ist halt die Frage zu welchem Preis. Ob eine Atmosphäre von Furcht und Argwohn unbedingt die Grundlage für ein gesundes Betriebsklima ist, halte ich für fraglich. So kann man vielleicht den Krankenstand bei Mitarbeitern minimal senken. Dafür laufen dir ggf. die besten Mitarbeiter davon und suchen sich einen besseren Job. Aber diese Weitsicht fehlt Herrn Musk wie es aussieht.
Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur hat Manager André Thierig dieses Vorgehen verteidigt: [...] Hausbesuche seien nichts Ungewöhnliches - "das machen viele Unternehmen".
Da stellt sich ein erwachsener Mensch (Manager, vermutlich gut bezahlt und im schicken Anzug) vor die Presse und rechtfertigt das völlig inakzeptable Verhalten seiner Firma mit "aber die anderen machen das auch". Das wäre unglaublich witzig, wenn es nicht echt wäre.
Würde meinem Manager nicht im Traum einfallen. Der hat sich kürzlich sogar bei mir entschuldigt weil ich wegen unklarer Kommunikation von ihm mal unnötig persönlich im Büro erschienen bin.
Nachtrag: Meine Antwort ergibt nicht so richtig viel Sinn mit Bezug auf den Punkt "Firmenmeinung über persönlichen Standpunkt stellen". Ich war gedanklich noch mehr bei "Leuten zu Hause nachspionieren wenn sie sich krank melden".
Aus Sicht der Werksleitung bei Tesla liegt der Grund für den Krankenstand nicht bei den Arbeitsbedingungen. "In unseren Analysen zur Anwesenheit sind Phänomene offensichtlich geworden: freitags und in Spätschichten sind circa fünf Prozent mehr Mitarbeiter krankgemeldet als an anderen Wochentagen", sagte Thierig.
"Das ist kein Indikator für schlechte Arbeitsbedingungen, denn die Arbeitsbedingungen sind an allen Arbeitstagen und in allen Schichten gleich. Es suggeriert, dass das deutsche Sozialsystem ein Stück weit ausgenutzt wird.
Abende und Wochenenden sind andere Arbeitsbedingungen, für viele wahrscheinlich schlechtere. Wie wäre es Kosten durch den Arbeitsausfall mit einer höheren Vergütung während der unattraktiven Zeiten zu kompensieren?
Ich glaube, der Manager spricht hier spezifisch an, dass ja nicht spontan mehr Leute am Freitag erkranken (werfe ich jetzt mal in den Raum).
Verstehe mich nicht falsch, ich bin definitiv dafür, die Großkonzerne zu enteignen und in Volkseigentum zu überführen kein Freund von Tesla, aber das System wird hier schon sehr offensichtlich ausgenutzt. Es wäre absolut der smarte Schritt, die ungünstigen Arbeitszeiten mit besserem Gehalt zu kompensieren - das ändert halt aber auch nichts daran, dass Leute ein System betrügen, vorausgesetzt die Tesla-Zahlen stimmen. Beide Parteien verhalten sich hier ethisch problematisch, meiner Auffassung nach.
Freitag ist nicht nur der letzte Tag in der Woche, sondern auch der fünfte Tag. Manche Belastungen nehmen über die Tage auch zu. Nicht jeder Tag ist ein frischer Start ohne Vorbelastung.
Alternative Interpretation, ohne zu wissen was wie rein spielt. Aber soo offensichtlich Ausnutzen ist es eben nicht.
das System wird hier schon sehr offensichtlich ausgenutzt
Alternative Interpretation:
Im Allgemeinen nutzt die Firma die Beschäftigten aus, die durch irrationale Loyalität und/oder starken Druck vom Management davon absehen sich krank zu melden auch wenn das nötig wäre (und damit andere Beschäftigte unnötig anstecken, also den tatsächlichen Krankenstand insgesamt verschlimmern). In der Spätschicht und nah am Wochenende wird diesem Effekt durch andere Faktoren stärker entgegengewirkt als sonst. Das macht es nicht zum "offensichtlichen Betrug" wenn zu den Zeiten die Ausfallquote höher ist, sondern zur offensichtlich parasitär-selbstzerstörerischen Misswirtschaft wenn die Ausfallquote im Durchschnitt höher ist als bei anderen Firmen der gleichen Branche.
Nachtrag, nochmal ein anderer Denkansatz zur gleichen Situation:
Stell dir vor eine Metrik in deiner Organisation ist signifikant schlechter als bei anderen vergleichbaren Organisationen. Dein Umgang mit Faktoren die diese Metrik beeinflussen ist signifikant anders als bei der überwältigenden Mehrheit der vergleichbaren Organisationen die bessere Werte erreichen. Was machst du als rationales Entscheidy in der Situation?
A) Schauen was die anderen machen und dich anpassen um zum Rest aufzuholen.
B) Schauen was du anders machst als die anderen und das nochmal verstärken, weil du offensichtlich noch nicht extrem genug bist um in der Metrik irgendwann irgendwie auf wundersame Weise besser zu werden als die anderen.
Folgefrage: Was macht deiner Einschätzung nach das Tesla-Management-Team aktuell in der Situation?
Anekdote/Eigenerfahrung:
Wenn ich den Eindruck hatte, vom Arbeitgeber ungerecht behandelt zu werden, dann war ich weniger engagiert, weniger zuverlässig und öfter krank. Das natürlich auch zu mir bequemen Zeiten, allerdings bin ich eher Montags als Freitags krank.
Natürlich ist "Wie du mir, so ich dir" immer kacke. Trotzdem ist es eine naheliegende Reaktion, wenn man sich nicht so einfach wegbewerben kann. Die Mitarbeiter besser zu behandeln ist da vielleicht tatsächlich ein Weg zu niedrigeren Krankenständen.
Der Überwachungsstaat wird ja gerade eingerichtet, das dauert noch ein paar Jahrzehnte (Deutschland braucht ja meistens etwas länger bei neuer Technik) dann haben wir das. Ein paar rechtsextreme Legislaturperioden werden dann auch die Arbeitsschutzgesetze weitgehend ausgemerzt haben (falls der Staat dann überhaupt noch intakt genug ist für Legislaturperioden).
Ich glaube damit kommst du nicht durch vor gericht leider. Aber unabhängig davon, wäre es ganz schnell vorbei mit den hausbesuchen wenn das jemand durchziehen würde.