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Soziologe über Wahlen und Geschlecht: „Junge Männer fallen zurück“

www.taz.de Soziologe über Wahlen und Geschlecht: „Junge Männer fallen zurück“

Die „Financial Times“ berichtet, dass das Wahlverhalten je nach Geschlecht anders ausfällt. Der Soziologe Ansgar Hudde erklärt die Spaltung.

Soziologe über Wahlen und Geschlecht: „Junge Männer fallen zurück“
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  • In einer Auswertung zeigen Henriette Engelhardt-Wölfler und ich, dass Männer mit niedrigerer formaler Bildung immer häufiger Singles bleiben.

    Das bedeutet bei klassischen Beziehungsmodellen aber logischerweise auch, dass mehr Frauen Single sind.

    Davon abgesehen kann ich es gut verstehen. Ich hätte auch keine Lust mit irgendeinem konservativen Bildungsverweigerer zusammen zu sein.

    • Das bedeutet bei klassischen Beziehungsmodellen aber logischerweise auch, dass mehr Frauen Single sind.

      Stimmt, aber der Punkt hier ist , dass es bei den Männern eine bestimmte Gruppe trifft (die mit niedrigem formalem Bildungsabschluss), während es sich bei den Frauen vermutlich verteilt und man diese Korrelation nicht findet. Die Häufung ist also eher das Problem als die Anzahl und fällt dann in der betroffenen Gruppe vermutlich auch auf.

      In gewisser Weise scheint es ja auch eine qualitative Komponente zu geben, da Frauen wohl fokusierter in ihrer Wahl sind, und damit denke ich eher die Abweisende Rolle einnehmen. Das ist aber eher spekulation Meinerseits und vielleicht zuviel hinein lesen.

      Ich hätte auch keine Lust mit irgendeinem konservativen Bildungsverweigerer zusammen zu sein.

      Kann ich im Ergebnis verstehen, dass man keinen Bock hat auf Leute, die dann AfD wählen. Ich finde aber trotzdem gerade den Begriff "Bildungsverweigerer" sehr problematisch. Warum ist jemand mit einem niedrigeren formalen Bildungsabschluss gleich ein "Verweigerer"?

      Wir haben finde ich ganz generell ein gesellschaftliches Problem, dass Bildung verstärkt mit einer sozialen und kulturellen Bewertung verknüpft wird. Das hat sich definitiv im Vergleich zur Vergangenheit geändert, wo es nicht so ausgeprägt war. In der Hinsicht hat die Akademikerklasse mit Studium eine erhebliche Aufwertung erfahren, während Leute mit Ausbildung oder in der Service-Industrie schlechter darstehen.

      Früher war z.B. der Postbote sozial/kulturel wahrscheinlich besser Angesehen (und wohl auch finanziell besser aufgestellt), als der heutige Paketbote, der sich abschuftet. Und der studierte BWLer genießt deutlich höheres Ansehen, als der ausgebildete Klemptner von dem wir als Gesellschaft im Moment aber vielleicht sogar mehr bräuchten.

      • Die entscheidende Frage für die Beobachtung ist ja, woher der Gendergap bei Bildungsabschlüssen kommt: Hat sich das System oder haben sich die jungen Männer verändert?

        Einerseits ist die Nivellierung der bildungsbedingten Klassengesellschaft ungünstig für alle, die es eher schwer haben, einen Hochschulabschluss zu erlangen. Die effektive Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und die Entwertung aller nichtakademischen Ausbildungen geht zulasten derer, die einen Lebensunterhalt ohne Studium bestreiten müssen.

        Während Frauen früher eher systemisch von der Hochschulen ferngehalten wurden, taten sich Jungen schon immer in der Schule schwerer. Es ist gut, dass Frauen akademisch entfesselt wurden. Gleichzeitig bleiben die jungen Männer, die schon in der Schule scheitern, leider auf der Strecke. Die Studienabbrecherquote lag bspw. 2016 bei Männern zwischen 8 und 12 Prozent höher als bei Frauen (laut Heublein und Schmelzer im DZHW-Projektbericht 2018). Hier ist Förderung gefragt und, sofern sie nicht fruchtet, wertige alternative Lebenswege für alle Nicht-Studierten.

        Ich glaube, das Problem bestünde weniger ausgeprägt, wenn man mit Hauptschulabschluss und Gesellenbrief ohne Naserümpfen anderer und mit einem lebensfähigen Salär seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Zumindest den Akademikerinnen in meinem Umkreis ging und geht es bei der Partnerwahl selten um einen Bildungsstatus, sondern um eine Augenhöhe in der Beziehung. Wenn einer von allen Seiten durchgehende vermittelt bekommt, weniger wert zu sein, klappt das nicht. Gleichzeitig haben Ärztinnen und Volljuristinnen Partner ohne formalen Abschluss jenseits des Abiturs, die aber durch eine selbstgemachte Spezialisierung auf ihrem Gebiet das notwendige Feuer für ihren eigenen Lebensweg mitbringen.

        Ganz klar meine Meinung und wahrscheinlich nicht sonderlich beliebt: Die Haupt- und Realschulen zugunsten der Gesamtschulen und zulasten der Gymnasien abzuschaffen war ein Fehler; die Uni oder FH ist eben nicht für jeden oder auch nur die Mehrheit der bessere Weg als eine gute Ausbildung. Dadurch sind jetzt all jene, die sich nicht irgendwie durch eine Akademie quälen können, vollends abgehängt und lebenslang gesellschaftlich gemarkt. Anstatt die Gesellschaft einheitlich gleicher zu machen, hat man einen riesigen Graben geschaffen. Das deutsche Ausbildungssystem war gesamtgesellschaftlich besser.

        Der Artikel selbst wendet übrigens schon noch ein, dass die absoluten Zahlen bei den jungen Erwachsenen noch nicht dramatisch sind:

        In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen waren es bei der letzten Bundestagswahl 7,7 Prozent der Männer und 5 Prozent der Frauen. Die Unterschiede sind also auch nicht riesig. Und: 92 Prozent der jungen Männer haben nicht die AfD gewählt.

      • Kann ich im Ergebnis verstehen, dass man keinen Bock hat auf Leute, die dann AfD wählen. Ich finde aber trotzdem gerade den Begriff “Bildungsverweigerer” sehr problematisch. Warum ist jemand mit einem niedrigeren formalen Bildungsabschluss gleich ein “Verweigerer”?

        Ich habe den Begriff bewusst gewählt. Es geht mir nicht um Menschen mit formal niedrigerem Bildungsabschluss. Meine Partnerin hat z.B. auch eigentlich keinen, ist aber definitiv kein dummer Mensch und ist auch sehr traurig darüber, dass sie keine wirkliche Chance hatte.

        Mir geht es um die, die schon in der Schule sagen, das ganze sei sowieso unnötig, dort stören und Ärger machen und dann nachher meinen, die Frau müsste sich dem Mann unterordnen weil ist ja so, auch wenn man selber nicht viel vorzuweisen hat.

        Ich persönlich respektiere Klempner und Paketboten genauso wie andere Berufsgruppen. Sogar mehr als gewisse Anzugträger…

    • Man würde ja glauben, dass dann auch mehr Frauen Single sind, aber es gibt halt einfach mehr Männer als Frauen:

      Betrachtet man einzelne Altersgruppen, zeigt sich wiederum ein anderes Bild: Bei den 18- bis 29-Jährigen ist der Männerüberschuss in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen-Anhalt (1 146 Männer je 1 000 Frauen), Thüringen (1 137 Männer je 1 000 Frauen) und Brandenburg (1 128 Männer je 1 000 Frauen) am höchsten. In der Unterzahl sind Männer in dieser Altersgruppe nur in Berlin (995 Männer je 1 000 Frauen) und Hamburg (998 Männer je 1 000 Frauen).

      https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2023/PD23_46_p002.html

      Sprich: Selbst wenn Frauen jeden ungebildeten Honk nehmen würden, wären in diversen Bundesländern trotzdem noch 13-15% der jungen Männer Single. Und du kannst dir ausrechnen, dass sich das in den Bundesländern auch noch regional auftrennt und dass etwa die Lage in den Unistädten Leipzig oder Dresden eine andere ist als auf dem Dorf in der sächsischen Schweiz.

      Und du kannst dir auch ausrechnen, dass das natürlich zu einem sexuellen Frust führt. Wenn dann noch die Nazis von der AfD effektiv in diese Frust keilen und dann groß behaupten, dass ja nur männliche Flüchtlinge kommen, die "uns unsere Frauen wegnehmen", dann hast du da den perfekten Sturm.

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