Ist der Osten Deutschlands besonders „braun“? Die Rechtsextremismus-Forscherinnen Heike Radvan und Birgit Sauer über Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen dem Erfolg der Rechten in Ost und West
Ist der Osten Deutschlands besonders „braun“? Die Rechtsextremismus-Forscherinnen Heike Radvan und Birgit Sauer im Gespräch über Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen dem Erfolg der Rechten in Ost und West.
https://geschichtedergegenwart.ch/brauner-osten-ein-gespraech-ueber-rechtsextremismus-und-di...
Interessant:
Problematisch ist darüber hinaus eine Haltung, die auch von vielen demokratischen Akteur_innen vertreten wird und mit der ein positives Image der Stadt im Vordergrund steht. Um dieses aufrecht zu erhalten, werden dann Menschen, die Verantwortung übernehmen und Betroffene schützen, zum Problem oder als dessen Ursache erklärt. Der Verlauf dieser Situation – Marginalisierung, Schuldzuweisung, Androhung von Disziplinarverfahren und Versetzung an andere Schulen – lässt sich als Prozess der Eskalation beschreiben, der einhergeht mit einer Nichtbenennung und Normalisierung von Rechtsextremismus. Er hätte meiner Erfahrung nach in dieser Form gegenwärtig nicht in einem westdeutschen Gemeinwesen stattfinden können. Es braucht hierzu eine kritische Aufarbeitung, die etwa in Burg bis heute sowohl an der Schule als auch im Gemeinwesen aussteht.
Man darf dabei nicht vergessen, dass "Der Osten" a) historisch zur Wahrung der Fassade erzogen wurde (Normerfüllung) und b) um das schlechte Image als Nazi-Hochburg weiß (Baseballschlägerjahre).
Die sehen sich häufig genug als Opfer. Alles schlechte wird vom Westen übertrieben und herausgehoben. Deswegen zeigen wir das lieber nicht und es ist ja auch sowieso nicht so schlimm. Ist ja nur der eine Fall.
Als jemand aus dem Osten (wenn auch Post-Wende) kann ich dir sagen, dass genau dieses Narrativ extrem verbreitet ist. Wir sind immer Opfer. Täter ist immer der Westen oder die da oben, aber das sind ja auch alles Wessis. Natürlich ist das ein Phänomen, dass eher unter älteren und ungebildeten vorkommt. Aber die jungen oder gebildeten bleiben häufig genug auch nicht im Osten.
Das mag einen Beitrag geleistet haben, aber die wesentlichen Gründe, warum der Osten braun ist, sind wo ganz anders zu suchen. Allen voran darin, dass es für den Osten durch Dinge, die im Zuge der Wiedervereinigung passiert sind, einen Opfermythos gibt und zwar unabhängig vom Wahrheitsgehalt der dem Mythos zugrundeliegenden Thesen. Ein weiterer entscheidender Grund liegt in meinen Augen zweifelsfrei darin, dass der Osten so dünn besiedelt ist. Urbanität ist das Penicilin gegen Faschismus. Es ist nicht nur kein guter Nährboden, sondern strahlt auch an den Rändern heilsam aus und diese beiden Eigenschaften von Städten fehlen im Osten weitestgehend.
Ich wohne in der größten Stadt in MV (Rostock) und wollte mal schauen, ob sich das anhand der Zahlen der letzten Landtagswahlen wirklich abbilden lässt, weil ich das grundsätzlich skeptisch gesehen habe und nicht so ganz glauben wollte.
Also habe ich mal geschaut, wie viele Menschen in verschiedenen Wahlkreisen in Rostock die AfD gewählt haben. In der Hansestadt selbst haben wir vier Wahlkreise, mit diesen Ergebnissen (Erst- und Zweitstimme):
Das sind alles recht dünn besiedelte Wahlkreise ohne größere Städte, oft sehr großräumige Gebiete rund um die Stadt Greifswald. Die Stadt Greifswald wiederum hat nicht so hohe Ergebnisse für die AfD eingefahren ("nur" 13,1% / 12,4%).
Man kann an diesen Ergebnissen tatsächlich sehen, dass mehr rechts gewählt wird je weiter man aus den Städten rauskommt, also scheint der Vorposter grundsätzlich Recht zu haben (und mein Empfinden, dass Rostock eine linke Hochburg in einem Sumpf aus Braun ist, ist auch nicht so ganz getrübt - auch wenn die Abgrenzung zum Umland nicht so groß ist, wie ich es mir gewünscht hätte).
Aber es gibt auch einige Ausreißer, die nicht in dieses Schema passen. Warum z.B. ist der Anteil an AfD-Wählern im Wahlkreis I der Stadt Rostock höher als alle anderen? Hier kann ich nur vermuten. Dieser Wahlkreis besteht aus Stadtteilen wie Lichtenhagen (was den meisten ein Begriff sein dürfte) - hier reiht sich eine Plattenbauwohnung an die nächste. Die Mieten sind im Vergleich zu anderen Stadtteilen sehr günstig und dementsprechend wohnt dort vor allem eine ärmere Bevölkerung. Für mich persönlich ist es daher nicht so überraschend, dass die Ergebnisse hier so hoch sind. Ich würde den Schluss ziehen, dass die Urbanisierung schon einen hohen Einfluss darauf hat, wieviel rechts gewählt wird, eine Verarmung / "Ghettoisierung" der Bevölkerung innerhalb eines Stadtteils (und damit verbunden vielleicht auch eine generelle Unzufriedenheit) die Wahlergebnisse aber auch stark beeinflussen kann.
Ich bin mit allen Punkten einverstanden und würde gefühlt auch deiner schönen Urbanitäts-Penicilin-Formulierung zustimmen, aber wieso sind die Faschos in Schleswig-Holstein dann so schwach? Das ist jetzt nicht wirklich das urbane Bundesland..
Urbanität ist definitiv kein Penicillin gegen Faschismus.
Reichtagswahle 1933:
Und der Osten wurde bei der Wiedervereinigung im Grunde vom Westen übernommen. Unternehmen, Verwaltung, Medien, Politik... Fast alle Eliten im Osten sind noch heute Westdeutsche und statt blühenden Landschaften gabs Treuhand und Arbeitslosigkeit.
Da ist die autoritäre und normative Erziehung in der DDR als Faktor definitiv plausibler. Und die strukturelle Benachteiligung ist eben auch kein Mythos sondern Fakt.
Ein weiterer entscheidender Grund liegt in meinen Augen zweifelsfrei darin, dass der Osten so dünn besiedelt ist. Urbanität ist das Penicilin gegen Faschismus.
A) ist kompletter Schwachsinn, schäm dich für solche faktenfreien Vorurteile, die nur dazu dienen, das Erstarken der Rechten misszuverstehen und die neoliberal-nationalistischen Ursachen zu entschuldigen.
Du machst doch gerade das, was ich beschrieben habe. Das Böse wegschieben. Das kommt aus dem Kapitalismus und ist gar nicht von hier und wer anspricht, dass das vielleicht anders ist, ist Nestbeschmutzer oder gar Vorurteile.
Meine Bruder in Lenin, ich komm aus dem Osten. Ich kenn die Leute hier.